Teil 4 – Tag 4

Nachdem mich besorgte mails erreicht haben, ob es Skizzo auch wirklich gut bei mir hat (bootcamp und so, das klingt – ich finde das auch! - doch recht harsch), kann ich alle zu hundert Prozent beruhigen. Es geht ihm blendend und er wird von Stunde zu Stunde lockerer, fröhlicher und verdient sich liebevollere Spitznamen. 'Tüte Mücken' zum Beispiel. Er kann sich wirklich herzerfrischend freuen, der kleine Streber.

 

Sein Gesicht sieht immer weniger so aus, als habe er den LKW zu spät gesehen.

Er ist das juckende Geschirr losgeworden und wir wurden Freunde, als ich es ihm abnahm und ihn einmal ordentlich durchgekratzt habe. Ja, ich habe mir dafür Zeit gelassen. Meine Zuneigung und Freundschaft verdient man sich durch Vertrauensbildung und nicht, weil man runde Augen hat.

Er hat binnen dieser paar Tage meine Stimmlagen und Töne, die ich zu Kommunikationszwecken von mir gebe, verstanden und reagiert 1a darauf. Ich nutze aber eben auch jede Möglichkeit die er anbietet, es ihn verstehen zu lassen.

Wie soll der arme Typ denn wissen, was ich von ihm erwarte, wenn ich es ihn raten lasse und kommentarlos herumstehe?  „Sch“ reicht für 'Ton aus', „Sss“ reicht für 'Sein lassen, herkommen', „Hey“ braucht er auf Distanz, wenn ich bei der Arbeit bin und er mehr als dreimal meldet, dass etwas nah am Auto war, was seiner Meinung nach da so nicht hingehört. (Hunde, Katzen, Menschen die nicht ich sind – wobei die näher ran dürfen als Vierbeiner).

Ich möchte behaupten, er genießt es, Weniger machen zu können. Diese „Wilder Zwerg“-Dinger sind ganz schön strapaziös, besonders für ihn selbst. Er möchte doch ganz dringend ein guter Hund sein. Für seinen Menschen. Da er bei mir abgeliefert wurde, nimmt er eben mich.

Ich habe schlicht von der ersten Sekunde unserer Begegnung keinen Zweifel daran gelassen, dass ich am besten weiß, was okay ist und was nicht. Ich beschütze nicht nur vehement alle anderen vor seinen Fehleinschätzungen, sondern gerade und besonders ihn vor allem, was ihm gefährlich werden könnte und lege dabei eine solche Energie in meinen Körper und, da ich ein Mensch bin, in meine Stimme, dass das jeder gute Hund mit Grips auch verstehen – und glauben! - kann. Und Zizzle ist ein verdammt schlauer Kerl. Wenn ich die Macht besitze alles auf Sicherheitsabstand zu halten, was verstörend sein kann, ist es in meiner Nähe recht entspannt auszuhalten. Das schafft Vertrauen auf seiner Seite.

Wie gesagt: ich bin zahm und harmoniebestrebt, ich vetrimme keine Viecher, weil ich das schön finde oder ein ungelöstes Aggressionsproblem habe.

Ich lasse mir nur von keinem kleinen Hund (gut, auch von keinem Großen) vorschreiben, ob ich Katzen halten darf oder zu welcher Tageszeit ich meine Spaziergänge mache und wohin (ich verstecke mich auch nicht im Unterholz, weil ein Hund meinen Weg kreuzt) oder ob ich die Autotür offenlassen kann. Ich möchte mich auch nicht schämen müssen, weil ich im Restaurant essen gehe oder Besuch mit Hund empfange. Mehr ist es nicht.

Er hing genau zweimal in den Seilen – und das in den ersten 10 Minuten nach seiner Ankunft, als er versuchte, sich mit meinem Pärchen anzulegen. Er hat sich genau dreimal eine Watschen eingefangen, eine davon in eben diesen ersten 10 Minuten beim fehlplazierten Knurren, eine beim ersten Angriff auf eine meiner Katzen, eine für das jagdliche Interesse an Nachbars Ente. Er wollte nicht wissen, was genau passiert, wenn man sich einem klar formulierten Verbot absichtlich widersetzt.

Natürlich lasse ich auch keinen Keim zum Baum werden, bevor ich mich räuspere. Ich teile ihm unverzüglich mit, ob er sich in eine (für mich) tolerable Richtung orientiert – oder eben nicht. Ich bin aufmerksam, wenn wir zusammen unterwegs sind. Ich achte (auf) ihn.

Und sobald ich sehe, dass er sich bemüht, prompt reagiert oder in die gewünschte Richtung agiert, spare ich nicht mit Lob. Ich hole ihm keine Sterne vom Himmel, weil er die Katze nicht erschreckt hat. Aber ich äußere mich anerkennend. Er darf meine Hand lecken, sobald er sich „gut“ benimmt. Ich streichle ihn. Er darf mir (am besten Ort am Platz, an meinem Bein!) ganz nah sein. Und er weiß das zu schätzen. Das soll er ja auch!

Natürlich hat er gewisse Vorteile davon, die heimischen Hunde im Umgang mit mir und ihre Reaktionen auf meine Haltung und Lautwahl zu lesen. Das macht es einfacher für ihn angesichts der Unverrückbarkeit meiner Erwartungen, die ich formuliere.

Auch waren sie die Ersten, die ihm gezeigt haben, dass mein Wort gilt, sonst hätten sie ihm gleich beim ersten 'Hallo' in den Hintern gebissen...

Ich denke, wenn sich jemand die Zeit&Aufmerksamkeit gönnt, ihm ein (ich wähle frei Schnauze einen Zeitraum, der mir realistisch erscheint, gutes timing vorausgesetzt) halbes Jahr die Gesetze des jeweiligen Territoriums an der Leine zu erklären, wird er ein uU sogar leinenloser (seine wahre Leidenschaft scheinen Mäuse in Wiesen zu sein), treuer, witziger, liebevoller kleiner Gefährte sein, mit dem man sich neue Freunde macht – und sich gewiss nicht schämen muss! 

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.